Selbst an
einer schlimmen Knochensache erkrankt und behindert, war es mir eine Freude
Vögel am Fenster zu beobachten.
Sehr viele Grünfinken die egoistisch den Futterplatz für sich in Anspruch
nahmen, einige Zeisig Pärchen und ein Dompfaffen Paar waren meine Gäste.
Die Dompfäffchen hatten es mir ganz besonders angetan, da ich bald merkte, dass es immer die gleichen waren. Es war sehr schön das Miteinander und die Treue der Beiden zu beobachten und den Stimm-fühlungs-lauten zu lauschen. Doch einige Zeit später kamen meine beiden Freunde nicht mehr. Ich schaute immer wieder nach und siehe da, am dritten Tag, gegen Abend, saß das Weibchen aufgeplustert und hechelnd vor meinem Fenster. Es war klar ersichtlich, es ging ihr nicht gut.
Ich öffnete vorsichtig das Fenster, es kam keine Reaktion. Erst als ich langsam meine Hand Richtung Vogel schob, versuchte sie aufzufliegen, ließ sich aber erschöpft gleich wieder auf das Fensterbrett nieder und vertraute meiner Hand.
Ich erschrak, sie war glutheiß und atmete mit offenem Schnabel! Schnell hatte ich erkannt was los war – sie hatte nur noch ein Fußstummelchen, das total vereitert war – das zweite Füßchen war noch ganz, aber auch verletzt und am Gelenk des Ständers vereitert – der Schwanz fehlte und auch sonst waren noch kleine Wunden am Körper. Es war mir klar, der kleine Kerl hatte Wundfieber! Was war geschehen? – Doch wichtiger war - was war zu tun?
In meiner ersten Reaktion dachte ich; da ist keine Hoffnung - und dann - wenn schon sterben, dann mit weniger Schmerzen - und so löste ich von einer Schmerztablette ein paar Stäubchen im Trinkwasser auf. Gierig trank mein kleiner Patient die ihm gereichte Flüssigkeit. Erstaunlich rasch setzte die Wirkung ein, der Vogelkörper entspannte sich und er verzehrte die ihm dargebotenen , zerquetschten Sonnenblumenkerne und der Lebenswille kehrte zurück. Sicherheitshalber versorgte ich die großen Wunden . Ich tränkte ein Mullstückchen mit verdünntem Braunol und machte damit einen Verband um beide Füßchen – nun noch ein weiches, warmes Bettchen und hinein in das Nestchen.
In der Nacht schaute ich mehr mit Angst, als mit Hoffnung ins Nestchen, aber der kleine Vogel atmete ruhig und gleichmäßig, nicht wie am Abend, mit fliegendem Atem.
Am Morgen trank er selbstverständlich, fast wie geübt, das ihm dargebotene Wasser ( nochmals mit einem Stäubchen gegen Schmerzen)
Der Verbandswechsel ließ mich staunen - und auf so einen guten Erfolg hieß es weiter zu machen.
Da es immer hoffnungsvoller aussah, hatte ich auch einen Namen für unseren kleinen Patient „ Spea“ das heißt: Hoffnung!
Da das
vereiterte Fußgelenk, den sonst noch gesunden Fuß lähmte, konnte Spea auf keinen
Ast sitzen und so bastelte ich ihr für die Nacht ein Körbchen und für den Tag
eine 3-4 cm. breite , gepolsterte Sitzmöglichkeit.
Viel Freude schenkte das kleine Kerlchen für die geringe Mühe.
Die schönste und größte Freude war, als Spea im darauf folgenden Frühjahr im Zimmer ein Nest baute. Es war höchst interessant, wie sie mir zu sagen wusste, was sie braucht. Der Anfang war etwas problematisch, da ich der“ Mensch“ zu naiv war und nicht begriff was sie da tat. Ich räumte immer wieder das Gebaute weg, da es ja an Ermangelung des Notwendigsten sehr wirr aussah. Als ich es wieder wegräumen wollte, sah mich, die sonst so sanftmütige Spea, recht zornig an und ich begriff, dass es nicht nur ein Sammeltrieb war.
In Ermangelung eines Vogelbuches trug ich alles nur Erdenkliche ins Haus und siehe da, vieles wurde begutachtet und als gut befunden.
Nun baute
Spea 3 Tage ununterbrochen , sogar ohne Mittagspause wobei sie unglaubliche
Umwege flog ( sicher um vom Nest abzulenken). Ein Material fehlte ihr scheinbar
noch ,denn als ein Besen in der Ecke stand, ging sie zielstrebig daran, Borsten
auszuziehen, was ihr zwar nicht gelang, aber ,den großen Menschen, mindestens
aufmerksam machte und so bot ich ihr Sisalschnur an, die ich in Borstenlänge
geschnitten und aufgelöst hatte, - es wurde begutachtet und - es fand Gefallen!
Speas
Wiese und Bademöglichkeit
Nach 3tägiger harter Arbeit blieb Spea am Morgen des 4ten Tages (es war der 21.Mai) sehr lange und sehr still im Nest sitzen und als sie heraus kam, war sie irgendwie verändert - und was sie vorher noch nie getan hatte, sie flog mich an, so als wollte sie mir etwas sagen. Natürlich hat der große Mensch mal wieder nicht gleich verstanden - doch Spea gab nicht auf, sie flog mich an, flog ins Nest, so dass ich einfach nachschauen mußte - und siehe da - sie hatte mir ein wunderschönes Ei geschenkt und jeden Tag legte sie ein weiteres dazu und brachte es auf ganze 5 Eier!
Nun begann
das Brüten. Hingebungsvoll saß sie auf den Eiern. Sie sah mich regelrecht
verliebt an, wenn ich nach ihr schaute, oder ihr ein paar Räupchen fütterte. Sie
liebte in dieser Zeit meine Nähe sehr. Sie plauderte ganz zart und leise.
Eine sehr schlimme Zeit war es dann allerdings, als sie merkte, dass sich kein
Leben in den Eiern regte. Sie war sehr unruhig und aufgeregt, vergaß mich total,
nahm auch keine Räupchen mehr an , nahm nur noch ab und zu ein Körnchen oder ein
Tröpfchen Wasser. Am 2ten Tag hatte ich Angst um sie , denn sie gebärdete sich
wie eine Verrückte! Als sie nun öfters und auch für längere Zeit das Nest
verließ, räumte ich alles schnell weg und Spea war dann innerhalb von 2 Stunden
wieder normal, - nur etwas mitgenommen sah sie aus.
Einen Tag später war es, als ob nichts gewesen wäre. Ich wagte sogar, ihr das
Nest zu zeigen, aber sie reagierte nicht mehr darauf. Ich stellte das Nest an
den alten Platz, aber sie erkannte es nicht mehr.
Spea hatte in ihrem Vogelleben schon sehr viel Schweres durchzustehen.
Es war ganz am Anfang ihrer Krankheit, als sie vielleicht 3 Tage bei mir war. Ich stellte sie im Körbchen, ans offene Fenster, an die Sonne, als plötzlich Speas Partner auftauchte. Spea erkannte ihn sofort und setzte alles in Bewegung, sich ihm bemerkbar zu machen – auch in ihm regte sich was, er schaute seine frühere Partnerin intensiv an - drehte sich dann aber um und fraß weiter ohne noch irgend eine Reaktion zu zeigen. Spea machte verzweifelte Anstrengungen, aber alles umsonst - er ließ sich nicht rühren. Als dann von der Ferne Stimmfühlungs-Rufe kamen und der Partner darauf antwortete, war es für Spea zu viel. Sie saß, starr aufgerichtet, stierte und bewegte sich nicht, obwohl sie sicher Schmerzen haben musste belastete sie doch den Fußstummel. Sie reagierte auch nicht, als ich in die Nähe kam und das Körbchen wegstellte. Ich berührte sie am Schnabel und am Köpfchen, alles umsonst! - Ich musste mich abwenden so weh tat es mir.
Als Spea etwa 2 Stunden so gesessen hatte, konnte ich es nicht mehr mit ansehen - ich nahm sie in die Hand und flößte ihr mit einer Pipette Wasser ein. - Langsam, ganz langsam, kam dann ein erster Reflex und dann trank sie. Danach schüttelte sie sich und war dann so, als ob nichts gewesen wäre.
Was Spea wohl in diesen beiden Stunden durchlitten hatte?
Als Spea schon eine ganze Zeit bei mir war brachte man mir ein kleines Babyvögelchen. Ich nahm es wegen Spea recht gerne auf, damit sie nicht so allein bei mir sein sollte . Auch dachte ich, wenn sie das Baby schreien hört erwachen vielleicht Muttergefühle. Es sah im ersten Moment auch so aus, doch bald wurde Abneigung daraus und sie mied auch mich.
2 - Spea und Wicky der behinderte Zeisig
Im Frühjahr
des 7ten Jahres, hat Spea dann doch noch eine Freundschaft angefangen Ich bekam
ein Zeisigweibchen, das sich am Flügel sehr schwer verletzt hatte.
Es war eigenartig bei den Beiden. Obwohl sie nicht die gleiche Rasse waren, war von Anfang an eine Zuneigung spürbar.
Ob wohl Leid auch bei Tieren verbindet?
Als dann bald darauf Spea sehr krank wurde, entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den Beiden die ergreifend war. Wicky ein frohes, quicklebendiges Kerlchen scharwenzelte um Spea herum, sie gab ihren Lieblingsplatz auf, weil Spea nicht mehr dahin kommen konnte - sie verließ Spea nur für einige Augenblicke und Spea schaute ihr sehnsüchtig nach. Die Stimmfühlung klappte, trotz der verschiedenen Sprache und Rasse. Oft dachte ich, ach könnte dies bei uns Menschen doch auch so harmonisch sein!
Obwohl ich bereit war Spea dankbar dem Schöpfer zurück zugeben, dachte ich mit Wehmut an Wicky, die dann sicher eine sehr trauernde Hinterbliebene sein würde und so war es dann auch wirklich; der Abschied war für Wicky ein großer Schmerz.
Sie sang wochenlang nicht mehr und war auch nicht mehr so munter und behende.
Als dann ein Spätzchen kam und dazu auch noch ein behindertes, wurde Wicky wieder die Alte. Doch die wunderschöne Beziehung wie mit Spea, entstand nicht mehr. Beide liebten sich, aber mit Abstand.
Die letzten Tage von Spea waren ergreifend. Da sie aus Altersschwäche , wie der Tierarzt sagte, alle Federchen verlor, mußte ich ihr ein Bettchen machen wie bei einem Babyvogel. Wicky saß meist in der Nähe und pfiff und sang ihr vor.
Am zweit-letzten Tag konnte Spea nicht mehr selbst aus dem Nestchen und auch nicht mehr fressen, aber sie trank viel und so machte ich ihr einen kräftigen Trank, der ihr gut tat. Am letzten Tag nahm sie nur noch sehr flüssige Vogeldiät zu sich. Aber sie hatte Durst, Durst... Auch in der Nacht, wenn ich wach wurde, bot ich ihr was zum Trinken an und sie trank gierig.
Gegen Morgen wurde sie unruhig , ich schaute nach ihr und sie drängte sich regelrecht in meine Hand, wollte aber nicht mehr trinken. Sie schaute mich nur unverwandt an. - Ich redete mit ihr und dankte ihr, für all ihre Liebe und ihre Tapferkeit. Sie wurde dabei ganz ruhig. Auf einmal legte sich das Köpfchen leicht zur Seite und das Leben war entflogen.
Es war mir ein Trost, dass ich ihr an ihrem Ende noch beistehen durfte!.
3 - Wicky und Torsty
Wicky das Zeisigweibchen, das sich so lieb um Spea das Dompfaffenweibchen kümmerte, kam ja zu mir mit einer sehr schweren Verletzung am Flügel. Die Wunde heilte gut, aber die Arm- und Handschwinge blieb lahm und Wicky amputierte sich dieses hinderliche Teil selbst. Doch nun war klar, dass sie nie wieder fliegen konnte. Wicky meisterte diese ihre Behinderung in der Sorge um Spea vorbildlich. Doch nach deren Tod schien es, dass Wicky ihre Behinderung zum ersten mal in der ganzen Schwere bemerkte.
Zum Glück war Wicky nicht lange alleine, denn schon bald kam ein Spatzenmädchen, das ein eigenartiges Verhalten an den Tag legte.
Am zweiten
Tag war mir sein Verhalten klar, das Spätzchen war fast blind.
Torsten ein Junge konnte es gerade noch retten, bevor es von einem Auto überfahren wurde. Zum Dank an den Retter nannten wir es Torsty.
Für Torsty war die quicklebendige Wicky fast eine Bedrohung, sie sah Bewegungen, aber nichts genaues und so schnappte sie nach jeder Bewegung von Wicky. Schon dachte ich die Beiden zu trennen, als Wicky listig und lustig zugleich, die Situation als Herausforderung annahm.
Für Torsty
war diese Herausforderung fast lebensrettend ,denn sie saß immer nur in einer
Ecke. Ich musste sie zwingen sich zu bewegen und ab und zu, zu fliegen. Es gab
also Flugzwang, aber Torsty fand immer mehr Freude daran. Sobald ich meinen
Finger unter ihr Bäuchle schob, hob sie auch schon ab und schraubte sich wie
eine Spirale vorsichtig, tastend in die Höhe, um dann, suchend auf meinem Kopf
oder meiner Schulter zu landen – dabei war es wichtig, dass ich sie ansprach.
Von Torstys Kindheit wusste ich nichts,
sie kam zu mir schon völlig befiedert mit nur noch einem andeutungsweisen
Babyschnäbelchen. Ihre Art zu fliegen deutete darauf hin, dass sie schon
geflogen ist, nun aber, durch die Sehbehinderung vorsichtig, suchend und hilflos
wurde. Dass Torsty schon von Geburt an blind war, glaube ich nicht, denn sonst
hätten sie die Vogeleltern sicher nicht durchgefüttert und sie vorher aus dem
Nest geworfen. Als Torsty kam ,hatte sie eine blauschwarze Geschwulst am
Kniegelenk und die Zehen waren verkrampft, auch hatte sie ein etwas
unterernährtes Federkleid, das alles eher auf einen Unfall deuten lies.
Sehr auffallend war, dass Torsty vom ersten Augenblick an sehr zutraulich war
und keinerlei Angst zeigte. Zuerst dachte ich, es sei der Zustand, den Tiere
zeigen wenn sie nicht mehr lange zu leben haben, aber mit jedem Tag wurde er
munterer und noch anhänglicher.
Torsty und Wicky wurden mit der Zeit unzertrennlich. Sie sangen mit einander.
Wicky neckte nach wie vor auf ihre lustige Art und oft spielten sie Fangerles ,
wobei Wicky immer wieder vergaß, dass sie ja nicht fliegen konnte und auf dem
Boden landete; doch schwuppdiewupp, war sie das Leiterchen hoch geklettert, das
ich ihr vom Boden bis zum Fenstersims gebastelt hatte und weiter ging es mit
singen und springen.
Torsty, die nicht so lange mithalten konnte, setzte sich dann an ein ruhiges Plätzchen und versuchte die hohen Töne des Zeisigs nachzumachen, was ihr oft auch verblüffend ähnlich gelang. Ich war überhaupt sehr überrascht, wie viele Töne Torsty auf Lager hatte - sehr lustig war, wenn sie ihr klares „ ja „ zum Besten gab und da sie es aufs Telefonieren abgesehen hatte, brachte sie manchen Anrufer zum Staunen.
Wicky dagegen, liebte mehr ihre Freiheit, sie wollte auch nicht gerne in die Hand genommen werden. Sie hatte keine Angst vor mir, zeigte aber ganz genau, was ihr lieb war und was nicht. Ich durfte ihr jeden Tag mal das Köpfchen graulen, aber sie bestimmte, wann es genug war. Hielt ich sie mal zu lange fest, ließ sie es mich für längere Zeit spüren.
Ein kleines Wesen, ja ich möchte fast sagen, eine kleine Persönlichkeit, mit einem eigenen Willen, den sie aber Torsty gegenüber oft zurück steckte.
Es war rührend wie Wicky auf die Seite ging wenn Torsty an den Futternapf kam, oder wie sie selbst mitten im Baden ihr das Badehäuschen überließ.
Ganz selten setzte sich Wicky Torsty zur Wehr mit offenem Schnabel und gespreizten Flügeln - ob dies nur war, weil Torsty dies gar nicht registrieren konnte – oder war es wirklich Rücksicht?
Leider hatten Beide ein trauriges Ende - Beide verunglückten tödlich. Wicky weil sie auf den Boden fiel und sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnte und Torsty weil sie erschrak und sich zu Tode flog .