Tsatsi die Singdrossel

Sehr verheißungsvoll fing das Frühjahr an und die Vögel gingen mit Volldampf ans Nest bauen und brüten. Doch plötzlich setzte Regen ein und es wurde wochenlang sehr kalt und es regnete, regnete.

Die Vögel hatten es furchtbar schwer ihre Brut durch zubringen, zu wärmen und zu ernähren.

So ging es auch unserem Singdrosselpaar das im Baum vor unserem Fenster 5 hungrige Kinder ernähren sollte. Schon waren 2 Junge tot und jedes mal steigerten die Eltern ihre Fürsorge um die noch lebenden. Ich machte mir ernstlich Sorge, aber ich wollte auch nicht zu bald eingreifen. Als ich dann wieder mal nachsah merkte ich es muss geholfen werden , doch als ich nach 2 Stunden kam, waren wieder 2 junge Baby tot und das letzte war auch schon nicht mehr fähig den Schnabel zu sperren. Es war ergreifend zu sehen wie die Vogeleltern sich um das Letzte mühten - aber das Nest war total durchnässt und bei der Kälte unmöglich das Kleine zu wärmen.

Es war sehr schwer an das Baby heranzukommen, da die Altvögel immer um das Kleine waren. Aber ich wagte es. - Am Anfang sah es aus, als ob mich die Vogeleltern angreifen wollten, - sahen sie doch in mir einen Nesträuber . Doch bald zogen sie sich resigniert und laut klagend zurück. Wie sollten sie auch wissen, dass ich dem letzten Kind helfen und es vom sicheren Tot retten wollte. Noch eine Stunde kamen die Eltern, suchten, riefen und klagten. Als ich den Nestling in der Hand hatte, gab ich jede Hoffnung auf, den ich hatte da ein starres Eisklümpchen , das nach meinem Gefühl ebenfalls nicht mehr lebte. Durch irgend welche Umstände musste ich das noch nackte, blinde Kerlchen erst mal so 10- 15 Minuten in meiner Hand halten. Ich hielt es während dieser Zeit leicht an meinen Körper gedrückt und was ich nie zu wagen gehofft hatte, - das eiskalte, starre Körperchen entspannte sich - und - bewegte sich! Es war ein unbeschreibliches Glücksgefühl! Als ich meine Hand bewegte gierte es , zwar noch etwas schwach ,aber doch beständig . Und es hatte Hunger , Hunger!

Jetzt musste alles warten, den nun hatte das wiedergewonnene Leben den Vorrang ! Ich fand ein paar frisch gehäutete Mehlwürmchen bei meiner Zucht, die mit einem Tropfen Wasser gierig aufgenommen wurden. Wenn ich aufhörte , gierte er weiter, aber trotzdem musste immer wieder eine Pause eingelegt werden, um den kleinen Vogelorganismus erst wieder langsam einzupendeln.

Inzwischen fanden wir einen Namen. Da so lange die Sonne fehlte und wir alle , ob Mensch oder Tier Sehnsucht nach Sonne hatten, nannten wir ihn TSATSI, was auf afrikanisch soviel bedeutet wie Sonne.

Tsatsi wurde aber auch ein richtiges Sonnenkind ! Es war kaum zu glauben was dieses Kerlchen Freude und Sonne schenkte!

Er gedieh prächtig und hatte zum Glück keinen Schaden genommen, durch die Kälte und Starrheit. Als er nach ein paar Tagen die Augen auf machte, sah er mich sehr lange an, ja er ließ mich förmlich nicht aus den Augen, er wollte mich scheinbar ganz gut in sich aufnehmen, oder konnte er es einfach nicht glauben, dass ich seine Mama sein sollte.

Es war herrlich die Entwicklung dieses Geschöpfchens aus nächster Nähe zu beobachten .Er entwickelte sich zu einem wunderschönen Vogel. Er war sehr anhänglich und schon früh ging ich mit ihm in den Garten um ihm zu zeigen wie er seine Nahrung holen muss. Es war kein leichtes Unterfangen. Wie gut verstand er doch das Menschenherz zu erweichen. Ich musste ganz schön hart bleiben und mein Herz in die Hand nehmen und trotzdem bettelte und bettelte er. Es blieb mir dann gar nichts anderes übrig, als ihn ab und zu eine Zeit, hungern zu lassen, was mir wohl am schwersten fiel - aber es hat genützt, er verstand und lernte wirklich selbst zu suchen. Es war lustig wenn er mich dann rief, so als wolle er mich fragen : ist das wohl was für mich oder : schau was ich gefunden habe - aber oft sah ich dann den Wurm gerade noch verschwinden. Durch diese harte Enttäuschung lernte Tsatsi doch verhältnismäßig schnell selbständig zu werden.

Eigentlich wäre er schon lange für die Freiheit fähig gewesen, aber er hatte noch keinen Zug nach draußen. Er war auch noch viel zu zahm, er hatte vor nichts Angst und das machte mir Sorgen.

Eines Tages kam ein Ehepaar mit einem kleinen Hund und mir kam die Idee - wir mussten den Hund auf Tsatsi los lassen ( natürlich an der Leine) Der erste Versuch war entmutigend, der Hund beschnupperte nur den Vogel und Tsatsi zeigte ebenfalls keine Angst . Doch plötzlich wurde der Hund nervös und wir machten einen zweiten Versuch und diesmal klappte es. Die Nervosität übertrug sich auch auf den Vogel und er erkannte die Gefahr. Wir versuchten es noch einige male und immer mit Erfolg und so hoffte ich einen guten Schritt in Richtung Sicherheit in der freien Natur getan zu haben.

Bei Tsatsi hat sich durch die notwendige Grausamkeit etwas verändert. Er flog am Abend immer wieder ans Fenster und wollte nicht mehr seinen altvertrauten Schlafplatz einnehmen und - er vertraute mir nicht mehr.

Es tat mir weh, aber ich wusste auch, dass das Vorgehen notwendig war, um in der freien Natur überleben zu können. Das Verhalten mir gegenüber blieb reserviert und so hatten wir, zwar schweren Herzens, zwei Fliegen auf einen Schlag.

Ich hörte den Wetterbericht und nahm mir vor Tsatsi am andern Morgen wählen zu lassen - und er wählte die Freiheit. Er stand etwa eine Minute am offenen Fenster, dann hob er ab und flog geradewegs ins Revier einer Amsel! Es war ein guter Kampf, aber mein kleiner Freund gab bald auf und suchte total verstört das Weite. Nach etwa 3 Stunden kam er Flügel hängend zurück - An diesem Tag lockte ihn nichts mehr nach draußen. Auch am andern Tag war nichts zu machen - doch am Abend kam wieder die Sehnsucht und ich ließ ihn gehen. Die Nacht war gut. Doch schon früh am Morgen kam er und bettelte um ein paar Bissen und zog dann wieder ab um mich aber so 5-6 mal am Tag aufzusuchen. Am zweiten Nachmittag kam ein leichtes Gewitter mit Regen und da des Regens wegen das Fenster geschlossen war, drückte er sich ganz eng an das Glas und bettelte um Einlass. Es war für mich sehr beglückend, er wusste, dass er notfalls kommen konnte.
In der über nächsten Nacht kam ein kurzes, aber recht starkes Gewitter mit heftigen Regen und Sturm. Tsatsi kam beim ersten Morgengrauen total übernächtigt und aufgelöst und schlief ohne etwas zu fressen einige Stunden, aber nach kurzer Mahlzeit ging es wieder raus. Es schien, dass er das Leben in Freiheit lieb gewann.

Doch dann kamen wieder Tage mit Regen und Kälte, aber Tsatsi ließ sich nicht mehr zurück halten.

An einem Sonntag war es sehr kalt und es regnete, regnete, da kam er ganz durchnässt, die Federn klebten am Körper, so dass die Haut bloß lag. Er schlief erschöpft wieder einige Stunden, aber nach einigen guten Bissen drängte er wieder nach draußen. Es ging mir sehr schwer ihn ziehen zu lassen , war sein Gefieder noch nicht für ein solches Wetter gerüstet. Zwei Tage zeigte er sich nicht und ich suchte ihn. Auf mein Rufen gab er Antwort und kam vom Baum zu mir geflogen, denn ich hatte ihm ein paar gute Bissen mitgebracht, die er auch sofort annahm. Da ich wissen wollte, ob er abgemagert sei, nahm ich ihn auf und war über den wunderbaren Zustand des Gefieders total überrascht.

Er hatte innerhalb von zwei Tagen die normale Schutzschicht für sein Gefieder erhalten, so dass das Wasser ab perlte und die Federn nicht mehr an der Haut klebten.

Oh wunderbare Einrichtung des großen Schöpfers kein Wesen ist dir zu klein und gering - ich danke dir!

Ich war so glücklich, hatte ich doch nun die Gewissheit:

Ich muss mich jetzt nicht mehr um Tsatsi sorgen.

Tsatsi kam nun wieder regelmäßig ans Fenster, aber nur um sich ein paar gute Brocken zu holen und ab ging“s wieder.

Morgens und Abends gab es ein Wiedersehen und das über 5 Wochen. Dann kam er nicht mehr.

Obwohl ich mir bewusst war, dass die Zeit kommen würde, suchte ich nochmals nach ihm und ich sah zwei Vögel hoch oben im Baum - Ich rief und sofort wollte der Eine los fliegen, aber der zweite Vogel reagierte mit Flügel –zittern und so kehrte er zu ihm zurück. Da ich das Ganze noch nicht verstand und sicher war, dass es Tsatsi war, rief ich nochmals und wieder war die gleiche Zeremonie. Nun hatte auch ich begriffen und konnte nur noch sagen : „Alles klar, macht‘s gut ihr Beiden!“ und ich war tief beglückt. Tsatsi war nun nicht mehr allein und gemeinsam wird das Fehlende , das ich ihm nicht vermitteln konnte, gelingen!

Am Abend kam dann mein Freund doch nochmals,- doch diesmal nicht allein. Sein Partner (Partnerin?) blieb respektvoll im Baum vor meinem Fenster sitzen - Tsatsi begrüßte mich fast übermütig, nahm aber keinen Bissen mehr und war auch schon wieder weg in Richtung Baum von wo aus sie dann zu zweit weiter zogen .

Am andern Morgen nochmals das Gleiche, doch nicht so übermütig, fast etwas feierlich. - Und diesmal war es ein endgültiger Abschied! - Vielleicht sollte es auch ein Dank sein, der auch von Tsatsi nicht übermütig abgestattet werden konnte!

Es war eines der schönsten Erlebnisse mit Tsatsi das ich wohl lange

nicht vergessen werde!