Bea der 60 Gramm Igel

Es war an einem Vormittag als mir eine Schülerin ein winziges Etwas entgegen hielt und mich flehendlich bat dem Kleinen zu helfen. Die Mutter wurde mit noch anderen Geschwistern von einem Auto überfahren und dies war das Einzige das übrig blieb.
Als sie ihre Hand öffnete, kam ein winziger Igel zum Vorschein, der gerade 60 Gramm wog.

„O Gott entfuhr es mir, das ist doch nicht möglich, so einen Winzling durch zu bringen!“
Doch Beate sagte fest und sicher:“ Doch sie schaffen das, das hat meine Mutter auch gesagt und sie besorgt auch alles was sie zur Aufzucht brauchen.“
Bums, das war verpflichtend! Zum Glück hatte ich noch keine Ahnung wie viel Zuwendung und Führsorge so ein Winzling braucht – doch ich ging darauf ein!
Beate kam, mit ihrer Freundin, in jeder freien Zeit, um das Baby zu füttern - die übrige Zeit war dann ich dran.
Wir besorgten ein Puppenfläschchen und einige Schnullis dazu. Aber das Futter war, in der damaligen Zeit, schon ein Problem. Wir gingen von Apotheke zu Apotheke und dann noch in einige Drogerien, bis wir milchfreie Babynahrung bekamen, denn Milch und Milchprodukte sind im allgemeinen für Igel tödlich, erst recht für so einen Winzling.
Ich hatte vorher bei meiner Tierärztin genaue Anweisung eingeholt wie so ein Kerlchen ernährt werden muss. Zu unser aller Freude gelang uns die Aufzucht tatsächlich!
(Leider habe ich die Anweisung verloren, aber jeder gute Tierarzt kann da weiterhelfen)

Die beiden Kinder hatten am Anfang, ihre liebe Not das Fläschchen zu halten, da unser Baby nicht wissen konnte, dass hier auch ohne Milchtritt Milch fließt – als ich dann meinen beiden Helfern erklärte, weshalb Bea das macht, hatten sie bald Rotine und ließen ihre Hand nicht mehr wegdrücken.
Heut da ich diese Zeilen schreibe, ist es mir immer noch staunens-und-lobenswert, denn ich hatte bei der Aufnahme der kleinen Bea, den beiden Mädchen ein Versprechen ab verlangt, dass sie außer mit ihren Eltern, nicht über die Existenz des kleinen Wesens sprechen dürfen, da sonst immer jemand käme um den Winzling zusehen und Bea somit keine Ruhe hätte.
Die Mädchen im Alter von 11 / 12 Jahren konnten dieses Versprechen einhalten und das für einem Zeitraum von 1½ Jahren!!!
Unser Winzling Bea gedieh prächtig und schon bald kam zu der flüssigen Breinahrung, auch Babynahrung aus Gläschen, mit Obst und Fleisch dazu.



Das Gewicht stieg schön langsam an und Bea wurde ein lustiger Geselle, der uns alle drei ganz genau kannte. Er zeigte große Freude wenn Eine von uns kam, gab es ja dann meist auch was zu futtern.
Hatte er Freilauf sauste er wie ein Wiesel durch den Raum und hatte eine Riesenfreude, wenn er sich auf irgend einen Schuh setzen konnte, um sich tragen zu lassen.

Um Bea stubenrein zu erziehen brauchte es nur einen kleiner Trick, -
ich legte ein kleines verpinkeltes Papier in die bestimmte Ecke und es klappte –
diese Ecke nannten wir“ die Geschäftsecke“.



Als schon ein recht kalter Herbst kam, war Bea gerade an der untersten Gewichts- grenze und es war klar, dass er den Winter noch bleiben durfte. Allerdings fand er trotz einem idealen und kühlen Winterplatzes lange nicht in den Winterschlaf. Immer wenn ich nach ihm schaute streckte er schon das Schnäuzchen aus der Behausung.
Als er dann aber schlief, tat er dies bis in das späte Frühjahr.

Ich bekam es so langsam mit der Angst zu tun und schaute ein paar mal vorsichtig nach, aber von mal zu mal merkte ich, dass er nicht mehr so tief schlief. Ich legte nun sicherheitshalber ein paar Pregis direkt vor Beas Nase. Anderntags waren sie weg und unser Langschläfer wurde langsam wach.
Er hatte viel abgenommen und das musste nun erst wieder angefüttert werden, bevor er freigesetzt werden konnte.
Als es soweit war, ging es uns dann doch schwer ihn in die „Wildnis“ zu setzen, war er doch noch immer sehr zutraulich und verspielt. Aber es musste sein!
Am letzten Abend machte ich ihm noch ein Festmahl und dann ging es los. Ich brachte ihn an den gleichen idealen Platz, an den ich auch schon 2 Jahre vorher meinen stachellosen Igel ausgewildert hatte.
Als ich gehen wollte merkte ich, dass ich einen großen Fehler gemacht hatte. Bea war satt und beachtete das neue Futter das ich ihm hingestellt hatte nicht mehr und trippelte mir wieder hinterher. Da ich aber Angst hatte, dass er zu nahe an die Strasse kommen könnte, nahm ich ihn nochmals mit.


An dem zusätzlichen Tag im „ alten Zuhause „verhielt er sich eigenartig – er speichelte alles ein, er hatte scheinbar ein Gespür für die Veränderung.
Am Abend, es ging mir schon recht schwer, ging ich wieder mit ihm los und nahm auch ein eingespeicheltes Stück mit und das 2te Festmahl.
Nach anfänglichem Zögern, lockte dann doch das leckere Futter und er war ganz vertieft. Ich lief ein wenig umher und zog mich dann in eine andere Richtung gehend zurück. Am andern Abend als ich noch mit Futter kam, war Bea am Näpfchen und suchte. Ich freute mich ihn wieder zusehen, berührte ihn aber nicht. Er ging gleich ans Fressen und ich zog mich langsam wieder zurück.

Auch anderntags war er da, aber er hatte keinen großen Hunger mehr und am dritten Abend war Bea nicht mehr da,
aber auf mein rufen kam mein Freund angetrippelt, beschnupperte das Fressen, zog ein Häppchen heraus, fraß ein wenig und ließ den Rest liegen.
Ich freute mich, denn es schien, dass Bea sich in die Neue Umgebung eingefunden hatte und auch für sich sorgen konnte in Bezug auf Nahrung.