Monis stachelloser Igel

Gegen Ende des Sommers brachte mir eine Kollegin einen Igel, der nur noch ab und zu ein paar Stacheln am Körper hatte und ansonsten total nackt war. Sein Schnäuzchen war trocken, die Augen waren müde und matt, aber er zeigte einen enormen Lebenswillen.
Was war wohl schuld? Vermutung der Tierärztin; evtl. Schneckenkorn oder Spritzmittel.

Zusammen mit der Tierärztin versuchten wir dem Igel zu helfen.
Er bekam zuerst mal 2 Spritzen. Ich selbst bekam für ihn Medikamente: ( Multibionta, und für die Bäder zum Mischen ; Defungit mit Alugan in einer schwachen Mischung,- dies deshalb dass ich ihn nach dem Bad nicht abduschen musste) Mit einigen Abständen bekam er nochmals 3 Spritzen (Vitamin B Komplex)

Er verlor auch noch die restlichen Stacheln und er sah aus wie ein länglicher Glatzkopf.
Am Anfang wollte er mich immer Beißen – er hatte ja nun kein anderes Mittel um sich zu schützen. Ich redete mit ruhiger Stimme mit ihm und erklärte, was ich mit ihm machte und es war als ob er mich verstehen würde.
Nach dem Bad lies er sich wie ein Baby in ein Handtuch wickeln und genoss es noch eine Weile auf meinem Arm bleiben zu dürfen. War er eingeschlafen, legte ich ihn mitsamt dem Handtuch in sein vorgewärmtes Bettchen, wo er dann meist bis zu 3 Stunden schlief.
Das Tabletten schlucken war am Anfang ein Kunststück, doch bald war auch dies gelöst,
denn Bananen waren für unseren Patienten der größte Leckerbissen. Ich nützte dies indem ich immer wieder ein Bröckchen dahinein steckte und schon am dritten Tag konnte ich die ganze Tablette darin verstecken, ja und scheinbar verlangte dies sein Körper, denn als einmal die Tablette raus rutschte, kaute er sie anschließend ganz genüsslich.
Es war beglückend zu sehen wie sehr der Igel merkte, dass ihm geholfen wird. Er sah mich mit großen Augen an, die nun auch wieder Glanz bekamen und er hörte mir regelrecht zu.
Er verhielt sich in seinem Bettchen ganz still, aber wenn er mich hörte, wollte er zu mir und war erst wieder ruhig, wenn ich zu ihm ging, ihn streichelte und wieder zudeckte.
Waren wir Beide allein, durfte er auch schon mal im warmen Zimmer frei laufen, aber er blieb immer in meiner Nähe und wenn ich saß, setzte er sich auf meine Schuhe.
Ab der 3ten Woche merkten wir, dass die Gefahr gebannt war – sein Schnäuzchen wurde wieder feucht, seine Augen hatten wieder Glanz und sein ganzes Wesen zeigte wieder mehr Lebenskraft – ja, er wurde ein recht lustiger Geselle und schon bald zeigten sich auch Vorboten neuer Stacheln. Ach, es sah lustig aus als die Stacheln “sprossten“!

Doch nun zeigte der Igel ein eigenartiges Gebaren – er speichelte sich mit seinen neuen Stacheln regelrecht ein und dies machte er so alle 2-3 Tage. Erwischte er in der Zwischenzeit meine Sandalen klemmte er sich da hinein und speichelte sich mitsamt meinen Sandalen ein.
Da es schon später Herbst und auch schon recht kalt war, durfte unser Igel noch bis zum Frühjahr bleiben. Ich hatte einen guten Platz für Ihn und er fand auch wirklich bald in den Winterschlaf. Im Frühjahr meldete er sich durch Kothäufchen vor seinem Schlafplatz und auch das leer gefressene Schälchen zeugte davon.
Als ich vorsichtig in seine Behausung schauen wollte, lugte er frisch und munter aus seiner „Haustüre“ heraus. Als er mich sah, kam er ganz heraus und ich merkte, dass er mich sofort wieder erkannte.
Wie war ich erstaunt wie schön sich seine Stacheln weiter entwickelt hatten – sie waren schön und sehr fest.

Aber nun rasch einen Leckerbissen und frisches Wasser bis zur richtigen Mahlzeit. Den Leckerbissen nahm er aus meiner Hand an, was mich unglaublich froh machte.
Da er viel abgenommen hatte, musste er zuerst wieder aufgepäppelt werden, bevor ich ihn in die Freiheit entlassen konnte.
Am letzten Abend richtete ich ihm ein Festessen mit seinen Leckereien, aber er fraß nichts!
Ob er wohl merkte, dass es nach „Abschied roch“? Er suchte auffallend meine Nähe – kletterte auf meine Schuhe und fing an, alles einzuspeicheln. Ich bot ihm meine alten Sandalen an, in die er sich sofort wieder hinein presste – alles einspeichelte und dort blieb, so als wolle er sagen:“ Ich gehe nicht fort“. Ich versuchte ihn heraus zu locken, aber es gelang mir nicht und so trug ich ihn mitsamt der Sandale und seinem Festessen an seinen neuen Aufenthaltsort,- ein Platz mit viel Unterschlupf, mit unberührter Natur und weit entfernt von einer Strasse.
Ich löste die Spange meiner Sandale und ließ meinen Freund, nicht ganz leichten Herzens, frei, in der Hoffnung, dass er sich wieder gut zurecht findet.

Noch ein paar Abende schaute ich nach ihm und brachte noch etwas Futter, legte ein paar Apfelstückchen und auch sein Lieblingsfutter aus, damit er die erste Zeit nicht hungern musste. Das Futter war, am Anfang, fein säuberlich weg, aber ihn selbst sah ich nicht mehr.

Ich konnte nur hoffen, dass er wirklich wieder so rasch die Freiheit lieb gewonnen hat und auch für seinen Unterhalt sorgen konnte.